Unter der Schlagwortpolitik „Liberalisierung“ und „Entbürokratisierung“ hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach ein Apothekenreformgesetz vorgelegt, das die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern und die Apotheken in Gänze stärken soll. Dazu Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes: „Das Reformgesetz wird dazu führen, dass gerade im ländlichen Bereich der Zugang zu Betäubungsmitteln und Rezepturen im schlimmsten Fall auf einmal die Woche reduziert wird. Da auch ein Bezug über den Versandhandel nicht möglich ist, steuern wir auf unzumutbare Verhältnisse in Deutschland zu.“

Gemäß dem Apothekenreformgesetz muss zukünftig in jeder Apotheke ein Apotheker nur noch mindestens 8 Stunden in der Woche anwesend sein. Ein einzelner Apotheker hat auch die Möglichkeit, alleine (!) eine Hauptapotheke, der Filialapotheken sowie zwei Zweigapotheken zu führen, mithin insgesamt 6 Apotheken. Im Übrigen kann ein/e „erfahrene“ Pharmazeutisch-technische/r Assitent:in (PTA) die Apotheke leiten.

Nur: Auch „erfahrene“ PTA dürfen zurecht

  • keine Betäubungsmittel abgeben
  • keine Rezepturen abgeben
  • keine Impfungen durchführen
  • viele pharmazeutische Leistungen nicht durchführen.

Nochmals Saar: „Natürlich könnte man vorgenannte Tätigkeiten nunmehr auf eine PTA übertragen, schließlich beinhaltet ihr Titel das Wort „Pharmazeutisch“, aber auch ein Fluglotse wird kein Flugzeug fliegen können, nur weil in seinem Titel das Wort „Flug“ vorkommt. Wir schätzen unsere PTA´s sehr, wissen was wir an ihnen haben, aber die Ausübung des Apothekerberufes ist nicht umsonst an ein Studium geknüpft. Arzneimittel, insbesondere Betäubungsmittel, sind keine Smarties.“

Wie weit der Minister mit seinen Reformvorschlägen von der Realität entfernt ist, zeigt sich am Beispiel der Grippeschutzimpfungen und der „neuen“ Zweigapotheken.

Gerade nach Corona war es das Ziel der Politik, möglichst viele Personen, auch unter 60 Jahre, gegen Grippe zu impfen. Apotheken waren dafür DER niedrigschwellige Anlaufpunkt. Und jetzt: Karl Lauterbach schränkt dieses Angebot ein. Grippeschutzimpfungen für Patient:innen unter 60 Jahre wird es in Apotheken nicht mehr geben. Saar: „Das ist ein Unding“.

Sog. „Zweigapotheken“ sollen zukünftig nach Karl Lauterbachs Vorstellungen aufgrund geringerer räumlicher und personeller Voraussetzungen verstärkt gerade in ländlichen Regionen die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern und dem Apothekensterben, das auch vom Minister gesehen wird, entgegenwirken. Bundesweit sollen so 100 Zweigapotheken entstehen. Saar abschließend: „Bundesweit 100 Zweigapotheken bedeuten runtergebrochen auf das Saarland genau eine, in Zahlen: 1, Zweigapotheke.

Seit Jahren sind die Apotheken in Deutschland unterfinanziert:

  • allein im Saarland ist die Zahl der Apotheken von 360 auf zuletzt unter 260 zurückgegangen; seit 2022 haben 25 Apotheken für immer aufgeben müssen
  • in Apotheken gezahlte Gehälter liegen für ausgebildete Fachkräfte nach einer dreijährigen Ausbildung knapp über dem Mindestlohn.

Anstatt dass der Minister das rasant zunehmende Apothekensterben durch zukunftsgerichtete Reformen stoppt, werden unter dem Deckmantel der „Entbürokratisierung“ und „Liberalisierung“ Apotheken gänzlich ihrer wirtschaftlichen Basis beraubt und das Patientenwohl gefährdende Maßnahmen beschlossen, die nur eins belegen: von der Versorgungsrealität und der Sorge der Menschen vor Ort ist dieser Minister ganz weit entfernt. Schlagworte ersetzen keine politischen Lösungen!“

 

gez.

Manfred Saar

(Präsident)