Presseinformation vom 10.10.2018

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn weiterhin ohne tragfähigen Vorschlag im Versandhandelskonflikt mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

Das Bild zeigt Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes, und Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer der Apothekerkammer des Saarlandes (v.r.n.l.) während der Rede von Bundesge-sundheitsminister Jens Spahn. Das Bild wurde von Mitarbeitern der Apothekerkammer des Saarlandes aufgenommen und steht zu Ihrer freien Verfügung.

Im Rahmen des vom 10.10. – 12.10.2018 in München stattfindenden Deut­schen Apothekertages 2018 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn heute erneut keine tragfähige Lösung im Versandhandelskonflikt angeboten. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass es nicht sein könne, dass aus dem europäischen Ausland agierende Versandapotheken nicht an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung gebunden sind. Dazu Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes: „Seit nunmehr zwei Jahren warten wir auf eine tragfähige Lösung im Versandhandelskonflikt. Es kann nicht sein, dass Marktteilnehmer, nur weil sie aus dem europäischen Ausland verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Deutschland liefern, nicht an deutsches Recht, konkret die Arzneimittelpreisverordnung, gebunden sind. Der in der Europäischen Union zu Recht geltende Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit kann ein sol­ches Ergebnis nicht wollen! Gelten nationale Rechtsvorschriften nicht mehr für Marktteilnehmer aus dem eu­ropäischen Ausland, wird der europäische Gedanke ad absur­dum geführt. Dies kann nicht im europäischen Interesse sein! Auch die Apothekerkammer des Saarlandes hat immer wieder betont, dass das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur eine Ultima Ratio sein kann. Wenn es aber keinen anderen Lösungsweg im Versandhandelskonflikt gibt, dann muss auch der Bundesgesundheitsminister dies einsehen. Allein die Tatsache, dass seit nunmehr zwei Jahren niemand eine andere tragfähige Lösung als das Versandhandelsverbot anbieten konnte zeigt, dass es keine andere tragfähige Lösung gibt. Denn: Auch eine Arzneimittelpreisverordnung, die in beschränktem Umfang Boni im Rahmen der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erlaubt, gilt nicht im europäischen Ausland. Laut EuGH gelten im Versandhandel keinerlei Beschränkungen! Nochmals: Wenn im europäischen Ausland ansässige Versandapotheken nicht an die in Deutschland geltende Arzneimittelpreisverordnung gebunden sind und dies auch nicht anderweitig sichergestellt werden kann, was der Fall ist, dann hilft nur noch ein Verbot.“

Hintergrund des immer wieder von der Apothekerkammer des Saarlandes geforderten und im Koalitionsvertrag niedergelegten Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 19. Oktober 2016 (Rechtssache C-148/15). In diesem wurde festgestellt, dass die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Arzneimittelpreisverordnung) nicht für Versandapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland ihre Kunden in Deutschland beliefern. Manfred Saar: „Die Arzneimittelpreisbindung erfüllt gleich mehrere Zwecke: Sie sorgt dafür, dass der Patient im Krankheitsfall keine Preisvergleiche zwischen Apotheken anstellen muss, sondern überall zu gleichen Bedingungen Unterstützung erhält. Auch verhindert sie, dass es zu keinem destruktiven, allein auf den Preis ausgerichteten Ver­drängungswettbewerb kommt, der in der Folge zu einer starken Ausdünnung des Apothekennetzes in der Fläche und damit zu einer schlechteren Patientenversorgung führt. Sie verhindert aber auch und gerade Auswirkungen, die vom Europäischen Gerichtshof gewünscht, vom Berufsstand aber strikt abgelehnt werden: Es kann nämlich nicht sein, dass Apotheken in Gegenden, in denen es nur eine Apotheke gibt, höhere Preise verlangen können. Damit würde der kranke Patient übervorteilt. Genau dies wünscht sich aber der EuGH wenn er ausführt, dass Apotheken in Gegenden, in denen es eine geringere Zahl an Apotheken gibt, höhere Preise verlangen können. Eine solche Ökonomisierung des „Gesundheitsmarktes“ ist abzulehnen.

Hinweis: Bereits heute ist in 21 von 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten. In Deutschland wurde der Ver­sandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 2004 zugelassen. Dies  unter der Annahme, dass sich auch Versandapotheken, die im europäischen Ausland sitzen und nach Deutschland liefern, an die Arzneimittelpreisverordnung zu halten haben. In seinem gegenteiligen Urteil hat sich der EuGH insbesondere auf die Warenverkehrsfreiheit berufen und festgestellt, dass, da Versandapotheken nicht individuell beraten können, deswegen billiger sein müssen, um wettbewerbsfähig zu sein. Wörtlich führte der EuGH in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 aus (Randzif. 24):

„Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass traditionelle Apotheken, …. grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage sind, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Da Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Leistungsangebot eine solche Ver­sorgung nicht angemessen ersetzen können, ist davon auszugehen, dass der Preis­wettbewerb für sie ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein kann als für traditionelle Apotheken, weil es von ihm abhängt, ob sie einen unmittelbaren Zugang zum deut­schen Markt finden und auf diesem konkurrenzfähig bleiben.“

Dazu nochmals Manfred Saar: „Der EuGH sagt damit nichts anderes als dass alle kostenintensi­ven und zu Recht gesetzlich geforderten Arbeiten wie Notdienste, Herstellung von Rezepturen, die Abgabe von besonders bera­tungsintensiven Arzneimitteln wie die „Pille danach“ von der Apotheke vor Ort vorgenommen werden können und sollen. Dies wird im Ergebnis quersubventioniert durch die Arzneimit­telpreisverordnung. Da Versandapotheken diese kostentreibenden Aufgaben nicht über­nehmen können, müssen Versandapotheken laut EuGH von den Vorgaben der Arzneimittelpreisverord­nung ausgenommen werden, um wettbewerbsfähig zu sein. Absurd!“

gez.
Manfred Saar
(Präsident)